Was sind eigentlich Bitters?

Bitters, auch als Cocktailbitters bekannt, gehören zur klassischen Bar wie das Amen in die Kirche, kaum einer der historischen Cocktails kommt ohne sie aus! Überhaupt kann man sagen, daß der Cocktail überhaupt erst durch die Erfindung der Bitters möglich wurde, die bereits vor etwa 200 Jahren das Licht der Welt erblickten, etwa 50 Jahre, bevor der erste wirkliche Cocktail der Welt, der Sazerac, in New Orleans kreiert wurde.

Es waren findige Köpfe mit medizinisch-pharmazeutischem Hintergrund, wie der kreolische Apotheker Antoine Amédée Peychaud, der in seiner Apotheke den später nach ihm benannten Bitters erfand, oder der deutsche Arzt Dr. Johann Siegert, der als Stabsarzt von Simon Bolivar mit pflanzlichen Auszügen experimentierte und damit den Angostura Bitters kreierte. Gedacht waren diese Produkte deshalb zunächst allein zu medizinischen Zwecken, und tatsächlich wurden sie als Heilmittel angepriesen und versprachen Linderung bei Kopfschmerzen, Magenverstimmung, Verstopfung und derlei Unpässlichkeiten.

Wesentlich lukrativer entwickelte sich allerdings die Beigabe solcher Toniken zu allerlei alkoholischen Mixgetränken, und in der Folge fanden immer mehr Bitters ihren Weg in die Bars der Neuen und auch Alten Welt, eine Entwicklung, die erst durch die Prohibition ihren vorläufigen Abschluss fand.

In den folgenden Jahrzehnten konnten die Bitters auch nach der Aufhebung der Prohibition 1933 nicht wieder an ihre frühere Beliebtheit anknüpfen, einige Rezepte, wie etwa jene für den Abbott’s Bitters und den Boker’s Bitters, gingen sogar gänzlich verloren bzw. verschwanden für Jahrzehnte in der Versenkung. – Allein übrig blieb in aller Regel der Angostura Bitters, der freilich in den meisten Bars der Welt ein kümmerliches Dasein ganz hinten im Regal fristete.

Es war die Zeit der Neu-Interpretation des Begriffes „Cocktail“, der nun nicht mehr als spezielles Mixgetränk nach der Formel „one spirit, one sweetener, one bitters“ gemixt wurde, sondern in immer größer werdenen Gläsern, um nicht zu sagen „Humpen“ aus einer Vielzahl verschiedener, mehr oder weniger passender, Spirituosen, jeder Menge Eis und Zucker sowie seeeehr viel (billigem) Fruchtsaft oder Cola etc. zusammengeschustert wurde. Dieser Entwicklung verdanken so unsägliche Kreationen wie der Long Island Ice Tea oder der moderne Zombie ihren Ursprung: Gut nicht, aber es knallt…

Allerdings formierte sich etwa seit der Jahrtausendwende eine Gegenbewegung, die womöglich vom Erfolg der Slow-Food-Welle inspiriert wurde: Immer mehr Bartender besinnen sich auf das Wahre und Gute, und immer mehr Liebhaber wissen einen guten Old Fashioned, einen Sazerac oder einen echten Planter’s Punch zu schätzen, um nur einige zu nennen – sie alle verdanken ihre Beliebtheit nicht zuletzt der Verwendung von Bitters!

Seither wurden nicht nur viele der alten Rezepte wieder ausgegraben, sondern immer mehr neue Kreationen kommen auf den Markt, wie etwa der Scrappy’s Lavender Bitters, und nicht zuletzt gewinnen auch „home-made bitters“ an Terrain, die von Liebhabern und Bartendern entwickelt werden, um ausschließlich in ihrer eigenen Bar oder Hausbar zum Einsatz zu kommen.

In aller Regel werden Bitters durch Mazeration verschiedenster botanischer Zutaten (den so genannten „botanicals„) in Neutralalkohol hergestellt, wobei selten nur eine einzige Zutat verwendet wird, sondern meist eine ganze Anzahl verschiedener pflanzlicher Stoffe, wie Rinden, Wurzeln, Blätter und Früchte etc. fein aufeinander abgestimmt werden. Die menschliche Zunge kann nämlich nur fünf verschiedene Geschmacksrichtungen unterscheiden: süß, salzig, sauer, bitter und „umami“, und von der Natur her ist Mensch wie Tier eingeimpft, daß ein bitterer Geschmack als Warnzeichen dafür dient, daß eine Pflanze ungenießbar oder gar giftig ist. Andererseits ist ein leicht bitterer Geschmack auch angenehm, was sehr zur Beliebtheit von Kaffee, Schokolade, Grapefruit, Artischocken und anderen Nahrungs- und Genußmitteln beiträgt.

Nach der Mazeration wird der fertige Bitters – bisweilen nach einiger Zeit der Fassreifung – mit einem Alkoholgehalt von um die 40% in kleine Fläschchen abgefüllt, die meist mit einem Tropfeinsatz vesehen sind, wodurch jeweils einzelne „dashes“ des Bitters direkt in den Shaker oder das Mixglas gespritzt werden können. – Die Bitters machen ihrem Namen nämlich schon dadurch Ehre, daß sie zumeist tatsächlich ziemlich bitter und herb daherkommen und deswegen nur in geringsten Mengen (ein oder zwei dashes, selten mehr) verwendet werden.

Nicht selten hört man deshalb die Meinung, Bitters würden einen Cocktail „bitter“ machen – doch das ist keineswegs der Fall: Bitters dienen vielmehr dazu, dem Mixgetränk eine zusätzliche verfeinernde Komponente beizufügen und den geschmacklichen Eindruck insgesamt zu heben, „bitter“ wird der Cocktail dadurch nicht – zumindest wenn man sich an die vorgeschriebenen Mengenangaben hält!

Der Begriff „Bitters“ ist deshalb auch nicht als Geschmacksbeschreibung zu verstehen, sondern als Kategoriebezeichnung für aromatische Tinkturen, die eben auch bittere Grundstoffe enthalten, wie etwa Chinarinde oder Enzianwurzeln etc. – und damit gehören sie zur Grundausstattung jeder Cocktailbar, wie das Salz zur Küche!

In diesem Sinne: Ein frohes Zwischenprost!

 

 

 

 

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