Ti Punch

Auf den Französischen Antillen wurde zwar schon seit langer Zeit Zuckerrohr angebaut und auch Rum gebrannt, wirkliche Popularität auch in Europa erlangte der Rum erst dank der „Hilfe“ der größten Katastrophe, die den europäischen Weinanbau jemals heimsuchte: Die Reblaus (Phylloxera) war in den 1860er Jahren ausgerechnet aus den USA nach Europa gekommen, wo sie die nicht resistenten Wurzeln der europäischen Weinstöcke im Laufe weniger Jahre so gründlich zerstörte, daß der Weinanbau in der Alten Welt praktisch fast restlos vernichtet wurde.

Erst nach der Einführung resistenter Wurzelstöcke aus den USA, auf welche die europäischen Reben veredelt wurden, erholte sich der Weinanbau in Europa im Laufe mehrerer Jahrzehnte wieder. Doch in der Zwischenzeit war nicht nur der Wein, sondern aus diesem hergestellte Weinbrand, allen voran französischer Cognac und spanischer Brandy, rar geworden, da kein Nachschub mehr produziert werden konnte.

Dieser Umstand ließ durstige Kehlen in der Alten wie in der Neuen Welt dringend nach Alternativen suchen, was letztlich dem amerikanischen Whiskey und nun auch dem Rum zu Popularität verhalf – wäre die Reblauskatastrophe nicht gewesen, würden diese Spirituosen womöglich heute noch ein Nischendasein führen!

So wurde der Brandy auch in Cocktails nach und nach größtenteils durch Whiskey ersetzt, ein Beispiel hierfür ist der Sazerac, der ursprünglich mit Cognac, heute aber mit Rye Whiskey hergestellt wird.

Außerdem kamen karibische Drinks auf Rum-Basis immer mehr in Mode, und vor allem in Frankreich hatte man Zugang zu dem aus frischem Zuckerrohrsaft hergestellten Rhum Agricole und zum aus Melasse destillierten Rhum Traditionell von den Französischen Antillen, die schließlich als Teil des Mutterlandes galten! Was lag also näher, als diese karibischen Rums selbst sowie die mit ihnen hergestellten Drinks anzunehmen? – Dies war der Anfang einer langen Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält!

Der bis heute beliebteste Rum-Drink der Französischen Antillen ist der Ti Punch (auch oft T’i Punch geschrieben), der mit Rhum Agricole Blanc, also aus frischem Zuckerrohrsaft destillierten und nicht im Holzfass gelagerten Rum, hergestellt wird. Dieser Rum besticht durch seine außergewöhnlich blumigen und fruchtigen Aromen und eignet sich deshalb ganz hervorragend für eine ganze Reihe von Cocktails, welchen er seinen unverwechselbaren Stempel aufdrückt.

Der Ti Punch ist eigentlich ein sehr einfacher Drink, der im Grundrezept nur aus weißem Rhum Agricole, frischem Limettensaft und Zuckersirup oder Rohrzucker besteht. Er ähnelt also einem Caipirinha, der allerdings mit dem gewöhnlicheren Cachaça hergestellt und mit Soda auf Eis aufgegossen, also praktisch verwässert, wird.

Im Gegensatz dazu wird der Ti Punch ohne Soda gemixt und mit Zimmertemperatur gereicht, also nicht auf Eis!

Heute ist der Ti Punch (der Name ist die creolische Verballhornung der französischen Bezeichnung „petite ponch„, was „kleiner Punsch“ bedeutet) das Nationalgetränk auf Martinique, und überall auf den Französischen Antillen ist er weit verbreitet. Man trinkt ihn vor, zum und nach dem Abendessen, und Besucher werden regelmäßig mit einem Ti Punch begrüßt. Und natürlich ist es der ideale Drink, wenn man abends mit Freunden zusammensitzt! Man sagt auf Martinique vom Ti Punch: „Er bringt die Freunde zusammen, versöhnt die Feinde, stärkt die Schwachen und macht die Ängstlichen mutig!“

Grundrezept Ti Punch

6 cl Rhum Agricole Blanc

Limette

3 cl Rohrzuckersirup

Die Limette achteln und leicht zerdrücken. Mit Rohrzuckersirup gut verrühren, Rhum Agricole zugeben

Besonders wichtig ist es dabei, die Limette nicht total zu zerquetschen, sie soll vielmehr mit Bedacht nur so weit gedrückt werden, daß sie den größten Teil des Saftes abgibt! Deshalb verwendet man auch keinen Stößel, sondern zerdrückt die Limettenviertel zwischen den Fingern über dem Glas, bevor man sie hineinwirft. Diesen ersten Schritt bezeichnet man als „pressé-laché“ („loses Pressen„).

Wieviel von der Limette man zugibt, kommt auf den persönlichen Geschmack an. Normalerweise genügen zwei Achtel oder maximal die Hälfte, selten wird die ganze Limette verwendt. Darum ist es auf den Französischen Antillen auch oft einfach so, daß der Gastgeber eine Flasche Rhum Agricole, Limetten und Zuckersirup auf den Tisch stellt und sich jeder seinen Ti Punch nach eigenem Gusto mixt. Daher kommt der auf den Französischen Antillen oft gehörte Spruch: „chacun prepare sa propre mort“ („jeder bereitet sich seinen eigenen Tod„), womit auf den Ti Punch angespielt wird, der oft auch als „süßer Tod“ bezeichnet wird…

Der ganze Herstellungsprozess benötigt also etwas Zeit, zudem man Zuckersirup und Limettensaft gut verrühren sollte, damit sie sich perfekt vermischen, bevor man den Rum zugibt. Puristen geben zum Zuckersirup noch einige Spritzer Wasser dazu, damit die Zutaten sich umso leichter vermischen und die Aromen der Limette noch besser zur Geltung kommen. Traditionell erfolgt das Vermischen mit einem „bois-lélé„, der in den Englisch sprechenden Teilen der Karibik als „swizzlestick“ bekannt ist und bei dem es sich um einen Holzquirl handelt, der aus dem Ast eines bestimmten Baumes, des Swizzlestick tree (Quararibea turbinata) hergestellt wird.

Im Idealfall verwendet man eine spezielle Limette, die auf Martinique und Guadeloupe heimisch ist und „petite citron“ („kleine Zitrone„) genannt wird. Sie ist kleiner als unsere herkömmlichen Limetten und liefert weniger Saft, der aber dafür viel aromatischer ist. Auf keinen Fall verwendet man Limettensaft aus der Flasche!

Der Rhum Agricole für den Ti Punch sollte eine Stärke von mindestens 50% haben, damit er auch richtig zur Geltung kommt (traditionell wird ein Rhum Agricole Blanc mit 55% Alkoholgehalt verwendet). Nach der Zugabe des Rums ist der Ti Punch fertig und wird ganz klassisch ohne Eis serviert!

Getrunken wird dieser feine Drink erst, nachdem man das Glas längere Zeit geschwenkt hat, wobei man sich schon einmal optisch am Inhalt erfreuen und auf den kommenden Genuss einstellen kann. Genossen wird er dann in kleinen Schlucken, und ganz zum Schluß zerdrücken Kenner die Limettenachtel mit der Zunge am Gaumen, wodurch diese eine intensive Mischung aus Limettensaft, Zucker und Rhum Agricole abgeben – eine süß-sauere Sensation!

Es gibt vom Ti Punch etliche Varianten, die bekannteste davon ersetzt den weißen Rum durch einen gereiften Rhum Vieux:

Ti Punch mit Rhum Vieux

5 cl Rhum Agricole Vieux

1/8 Limette

Gemixt wird genau wie beim Grundrezept, aber OHNE Zucker!

Wem dieser Drink zu stark ist, der kann jeweils 3 cl Fruchtsirup verschiedener Früchte zugeben, wie etwa Maracujasirup (Ti Punch Passion), Mangosirup (Ti Punch Mangue) oder Ingwersirup (Ti Punch Gingembre), wobei das Glas dann jeweils mit einem Stück der betreffenden Frucht garniert wird.

In diesem Sinne: Ein frohes Zwischenprost!

 

 

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