Berühmte Bartender: Harry Craddock

Harry Craddock (1876 – 1963) gilt als einer der einflussreichsten Bartender des beginnenden 20. Jahrhunderts, seinen Ruhm festigte er für die Nachwelt mit seinem Mixbuch „The Savoy Cocktail Book„, das er erstmals 1930 herausgab und das bis heute zum festen Bestandteil jeder Bibliothek gehört, die sich mit Mixgetränken beschäftigt. Auch heute noch findet man es in guten Bars, und Bartender von Rang blättern ständig darin. Es ist nicht nur eine riesige Ansammlung von Rezepten, sondern enthält darüber hinaus Bargeschichten, Zeichnungen im Art Déco und Hinweise zur Trinkkultur – es ist also ein Denkmal einer ganzen Ära!

Geboren wurde Harry Craddock in Stroud in der englischen Grafschaft Gloucestershire, knapp 40 km nordöstlich der Hafenstadt Bristol, schiffte sich aber 1897, mit 21 Jahren, nach New York ein, wo er eine Lehre zum Bartender absolvierte. Schon drei Jahre später fand er eine Festanstellung in der Bar des Luxushotels Hollanden in Cleveland, Ohio, das erst 1885 gegründet worden war (das Hotel galt als eines der modernsten und besten seiner Zeit und existierte bis 1962.

1916 nahm Craddock die amerikanische Staatsbürgerschaft an und arbeitete zwischenzeitlich auch im Knickerbocker Hotel in New York, wo er mit zwei anderen berühmten Bartendern jener Zeit, Eddie Woelke, Erfinder des El Presidente Cocktails, und Adam Heiselman zusammenarbeitete.

Doch dann kam die Prohibition, und Harry Craddock verließ im April 1920, nur drei Monate nach dem Beginn dieser trockenen Zeit, zusammen mit seiner Frau und der inzwischen 16–jährigen Tochter die Vereinigten Staaten in Richtung seiner Heimat Großbritannien, um nie wieder zurückzukehren. Freilich nicht, ohne zuvor – der Legende nach – den letzten Cocktail in den USA vor der Prohibition gemixt zu haben.

Seine Ankunft schlug in London ein wie eine Bombe, galt Craddock doch schon zu jener Zeit als einer der berühmtesten Bartender der USA – und in England hatte man gerade eben erst begonnen, die aus den Vereinigten Staaten herüberschwappende Begeisterung für Mixgetränke aufzunehmen. Es fehlte jedoch an wirklich guten Fachleuten, und da kam Harry Craddock gerade recht!

Einem der berühmtesten Luxushotels Londons, dem Savoy, gelang es denn auch nach kurzer Zeit, Harry Craddock für die American Bar des Hotels zu verpflichten, die bislang von zwei weiblichen Bartendern geführt worden war, darunter der berühmten Ada Coleman, die als erste weibliche Bartenderin von Rang galt. Craddock, der der festen Überzeugung war, daß Bartender kein Beruf für eine Frau war, übernahm die Bar als Head Bartender und legte hier den Grundstein für seine „Unsterblichkeit“ in den Annalen der Bar, die sogar darin mündete, daß seine Figur bei Madam Tussaud’s ausgestellt wurde!

1927 wurde die American Bar im Art Deco-Stil renoviert, und Harry Craddock hatte inzwischen mehr als 2.000 Cocktailrezepte gesammelt, von welchen er mehr als die Hälfte in seinem „The Savoy Cocktail Book“ unterbrachte, das bis heute immer wieder neu aufgelegt wird. Einige der Rezepte stammen auch von Craddock selbst, vor allem der Corps Reviver No. 2 und die White Lady:

Corps Reviver No. 2

1/4 Weinglas Zitronensaft

1/4 Weinglas Kina Lillet

1/4 Weinglas Cointreau

1/4 Weinglas Dry Gin

1 dash Absinth

Gut schütteln und in ein Cocktailglas seihen

***

White Lady

1/4 Zitronensaft

1/4 Cointreau

1/2 Dry Gin

Gut schütteln und in ein Cocktailglas seihen

Hier gründete er 1934 auch die United Kingdom Bartender’s Guild, zusammen mit einem anderen berühmten Bartender, William J. Tarling, dem Barchef des Café Royal (der 1937 das Café Royal Cocktail Book herausbrachte, welches als erstes Mixbuch überhaupt Rezepte mit Tequila aufnahm).

Harry Craddock machte die American Bar des Savoy Hotels zum Treffpunkt der High Society und zum Epizentrum des modernen „Nightlife“, wie man heute sagen würde: Alles, was Rang und Namen hatte, war Gast in der Bar mit dem berühmten „amerikanischen“ Bartender.

1938 wurde ein anderes berühmtes Luxuxhotel in London, das Dorchester, renoviert, und Harry Craddock konnte aus dem Savoy abgeworben werden. Bis zu seinem Rückzug aus dem Berufsleben im Jahre 1947 blieb Craddock Barchef des Dorchester, das zu einem großen Teil aus einem neuen Baustoff, genannt Stahlbeton, erbaut worden war. Folglich galt dieses Luxushotel als eines der sichersten Gebäude Londons, und während des II. Weltkriegs fanden sich zwei Könige, zahllose Schauspieler und andere Berühmtheiten sowie Politiker wie Winston Churchill und Dwight D. Eisenhower ein, die alle einem guten Tropfen (oder mehreren…) nicht abgeneigt waren, besonders wenn sie von Harry Craddock gemixt worden waren!

Nach seinem Eintritt in den Ruhestand wurde es rasch still um Harry Craddock, und so geschickt er mit dem Shaker umging, so unprofessionell muß er wohl seine eigenen Finanzen gemanagt haben: Als er 1963 im Alter von 87 Jahren starb, wurde er in einem Armengrab beigesetzt, von dem man viele Jahre lang nicht wußte, wo es genau lag! Erst vor etwa zwei Jahren wurde das Grab auf einem Londoner Friedhof entdeckt, und seither trägt ein Grabstein den Namen eines der berühmtesten Bartenders seiner Zeit, dessen Einfluss bis heute anhält!

Von seinem Savoy Cocktail Book ganz abgesehen, profilierte Craddock sich vor allem durch seine Persönlichkeit und sein Verhalten als perfekter Bartender: Er kümmerte sich um seine Gäste, als wären es seine besten Freunde, und zwar weit über seine Bar hinaus! So gab er einmal nicht weniger als 60 US$ für ein Telephonat aus, in welchem er einem seiner Stammgäste auf der anderen Seite des Ozeans ein Cocktailrezept mitteilte.

Und Craddock gelang sogar etwas, an dem selbst der „Professor“ Jerry Thomas gescheitert war: Er brachte den amerikanischen Cocktail in die Alte Welt und legte damit den Grundstein für die weltweite Beliebtheit von Mixgetränken, die inzwischen zum festen Bestandteil unserer Kultur geworden sind!

In diesem Sinne: Ein frohes Zwischenprost auf Harry Craddock!

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