William Schmidt

William Schmidt ist ein Sonderfall in unserer Reihe berühmter Bartender des 19. Jahrhunderts: Anders als die meisten seiner Kollegen stammte er nämlich aus Hamburg und hieß eigentlich Wilhelm Schmidt und war wohl erst in die Vereinigten Staaten emigriert, nachdem er in Deutschland das Barhandwerk von der Pike auf erlernt hatte.

Über seine Zeit in Deutschland ist leider nichts bekannt, er taucht erst 1869 in Chicago auf, also so ziemlich zu Beginn des so genannten „Goldenen Zeitalters“ des Cocktails, und fand eine Anstellung in einer Bar, wo er schnell durch seine außergewöhnliche Beherrschung der Materie auffiel und rasch Berühmtheit erlangte. Bereits vier Jahre später, 1874, wurde er Barchef der Tivoli Gardens, eines der größten Konzerthäuser der Stadt, wo er nicht weniger als 16 Bartender unter sich hatte.

Besondere Berühmtheit erlangte er durch seine Fähigkeit, ad hoc neue Cocktails zu kreieren, um die speziellen Bedürfnisse seiner Gäste perfekt zu befriedigen – man sagte von ihm, daß er jederzeit in der Lage gewesen sei, einen Drink zu komponieren, der selbst solche Gäste verführen würde, die sich geschworen hatten, nie im Leben etwas zu trinken, das stärker war als Limonade!

1884 zog er nach New York, wo er die Leitung des Bridge Saloon unweit der Brooklyn Bridge übernahm, bis er 1889 in eine Bar am Broadway, Nähe Park Row, wechselte, die er zunächst mit einem Partner betrieb. Nach dessen frühem Tod verkaufte er die Bar, blieb aber weiter als Barchef dort tätig, auch nachdem man nach No. 58 Dey Street umzog – genau an den Ort, der heute als „Ground Zero“ bekannt ist!

Während der folgenden Jahre war William Schmidt der bekannteste Bartender in den USA, er war zu seiner Zeit wesentlich berühmter als „Professor“ Jerry Thomas, er wurde eine echte Berühmtheit und als „The Only William“ bekannt, der nicht nur über außergewöhnliche Kreativität verfügte, sondern auch über ein enzyklopädisches Wissen, das er gerne mit seinen Gästen teilte. 1904 ging er gezwungenermaßen in den Ruhestand – eine sich stetig verschlimmernde Demenz zwang ihn dazu, er verstarb bereits ein Jahr später in New York.

William Schmidt hatte seine eigenen Ansichten über das Barwesen im Allgemeinen und über seine Rolle im Besonderen: Er vertrat stets die Ansicht, daß Cocktails keine amerikanische Erfindung waren, sondern vielmehr auf grundsätzlich europäischen Vorbildern aufbauten und diese variierten – schließlich hatten ja auch die meisten Spirituosen ihre Heimat in Europa!

Schmidts Devise lautete sein ganzes Leben lang: „Ein Mann meiner Profession sollte niemals vergessen, ein Gentleman zu sein: Selbst wenn er den besten Drink mixt, wird viel von dessen Qualität verloren gehen, wenn er nicht freundlich serviert wird. Aber die Höflichkeit starb aus, als schnelles Essen und schnelle Drinks in Mode kamen. Heute will man Schnelligkeit, keine Qualität. Und wie soll ein wahrer Künstler sein Herzblut in seine Kreationen legen, wenn man ihm keine Zeit läßt?

Und außerdem: „Ein Gewohnheitstrinker wird nie Gefallen an kunstvoll gemixten Drinks finden, er kann an ihnen keinen Geschmack finden, weil sie ihn nicht schnell genug in das von ihm angestrebte Nirwana bringen.

Doch William Schmidt legte sein ganzes Herzblut in seine Drinks, unter anderem kreierte er den damals teuersten Cocktail der Welt, einen Champagner-Julep, den er für 5 $ verkaufte – zu einer Zeit, als ein Cocktail im Schnitt 15 ct kostete (auf heutige Preise umgerechnet, würde dieser Cocktail 126 $ kosten)!

Grundsätzlich waren seine Kreationen perfekt ausgewogen und meist auch sehr aufwendig, nicht wenige der von ihm erfundenen Cocktails bestehen aus 10 und mehr Zutaten – vollendet aufeinander abgestimmt für ein vollendetes Trinkerlebnis!

So hieß es denn auch in der Grabrede bei seiner Beisetzung: “ ‚Only William‘ bei seiner Arbeit zu beobachten, und seine Kommentare während der Herstellung eines Drinks zu hören, bedeutete, den Appetit über alle Maßen zu steigern. Seine Drinks waren Kreationen. In seinen geschickten Händen und in seinem leidenschaftlichen Herzen lebte der Genius eines wahren Wohltäters der Menschheit.“

Quasi als Vermächtnis hinterließ er zwei Bücher, das 1891 erschienene Büchlein „Fancy Drinks and Popular Beverages“ und das ein Jahr später aufgelegte umfangreiche Werk „The Flowing Bowl„, in welchem er die ewige Wahrheit der Mixkunst darlegte:

Mixgetränke können mit einem Orchester verglichen werden: Es wird gute Musik machen, wenn alle seine Mitglieder Künstler sind. Wenn aber nur ein oder zwei schlechtere Musiker darunter sind, kannst Du sicher sein, daß die ganze Harmonie zerstört wird.

In diesem Sinne: Ein frohes Zwischenprost auf Wilhelm Schmidt!

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