In den letzten Jahren warten gerade in den Großstädten immer mehr Bars mit sogenannten „Luxuscocktails“ auf, die speziell auf eine kaufkräftige Kundschaft zielen und bisweilen mit vierstelligen Beträgen zu Buche schlagen. Bartender springen dabei auf den Zug hin zu immer außergewöhnlicheren Produkten und höheren Preisen auf und hoffen, ein schönes Stück vom Kuchen der „big spender“ abzubekommen.
Doch machen Luxuscocktails überhaupt einen Sinn?
Um diese Frage beantworten zu können, muß man zwischen zweierlei „Luxuscocktails“ unterscheiden:
- Cocktails, die aufgrund der in ihnen enthaltenen Zutaten einen hohen Preis realisieren müssen. Es ist nur natürlich, daß der Verkaufspreis eines Cocktails, für den zum Beispiel ein 80 Jahre alter Cognac verwendet wurden, höher sein wird als einer, der mit dem normalen Hennessy VSOP gemixt wurde. Gesellen sich dazu weitere hochwertige Zutaten, steigen die Gestehungskosten für den jeweiligen Cocktail weiter an, und dann muß auch der Verkaufspreis entsprechend nach oben angepasst werden, wenn die Bar keinen Verlust machen will.
- Im Gegensatz dazu gibt es Luxuscocktails, die durch „Zutaten“ aufgepeppt werden, die eigentlich in einem Getränk gleich welcher Art nichts zu suchen und auch keinerlei Einfluss auf den Geschmack haben. Dazu gehören Gold, Diamanten und andere Schmuckstücke, die der Kunde dann im Glas vorfindet und entweder zusammen mit dem Cocktail zu sich nimmt (wie etwa Blattgold), oder die mit Bezahlung der Rechnung in seinen Besitz übergehen. Solche Cocktails können dann schnell mehrere tausend Euro kosten und zielen auf ein Publikum ab, das in erster Linie kaufkräftig genug ist – ob dieses dann auch die Qualität des Drinks an sich zu schätzen weiß, sei dahingestellt. Fazit: Unsinn, wenn man einmal davon absieht, daß eine Bar durch ein solches Angebot reiche Kunden anziehen kann, die dann als echte „big spender“ für gehörigen Umsatz sorgen!
Während man im zweiten Fall getrost von einer dekadenten Verirrung sprechen kann, liegen die Dinge im ersten Fall nicht ganz so einfach: Generell kann sicher davon ausgegangen werden, daß ein Cocktail umso besser ist, je hochwertiger die verwendeten Zutaten sind. So wird, um beim oben genannten Beispiel zu bleiben, ein Sidecar, der mit Hennessy X.O. zubereitet wurde, einen anderen Eindruck machen als der gewöhnliche Sidecar, für den „nur“ der Hennessy VSOP verwendet wurde (wenn nicht gar, wie es leider oft der Fall ist, irgendein Billigweinbrand ins Glas findet…). Dasselbe gilt für einen Blood & Sand, der mit einem Glenfiddich 30 yo. zubereitet wurde, anstatt mit einem Billigwhisky aus dem untersten Supermarktregal.
Hier kann sicherlich davon ausgegangen werden, daß sich der oft wesentlich höhere Preis durch den besseren Geschmack des Cocktails gewissermaßen „amortisiert“ und daher die zusätzliche Investition gerechtfertigt ist.
Doch halt: Macht der Einsatz von besonders teuren und oft uralten Spirituosen für einen Cocktail auch wirklich Sinn? Ist es nicht vielmehr so, daß ab einer gewissen Stufe der Drink nicht mehr besser, sondern nur noch teurer wird?
Hinzu kommt, daß die Originalrezepte vieler Cocktails beispielsweise nicht einfach irgendeinen „Rum“ verlangen, sondern eine ganz spezielle Marke, deren Geschmack und Aroma das fertige Getränk charakterisiert. Ersetzt man diese Spirituose durch eine andere, wird sich auch der Cocktail selbst verändern, und selbst wenn eine viel teurere Spirituose verwendet wird als im Originalrezept, bedeutet dies nicht automatisch, daß der Drink dadurch auch tatsächlich „besser“ wird!
Ein noch wichtigerer Einspruch ist die Tatsache, daß Cocktails ja aus verschiedenen Zutaten gemixt werden, die eine Gesamtkomposition ergeben, in welcher sich diese Zutaten gegenseitig beeinflussen: Ob dann die höherwertige Zutat diese zusätzliche Qualität tatsächlich in den Cocktail einbringen kann, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden!
Wobei wiederum auch alle anderen Zutaten von höherer Qualität sein müssen, da ein Cocktail nur so gut sein kann, wie die billigste Zutat es erlaubt! Wer also etwa für einen Prince of Wales einen uralten Premium-Cognac verwendet, ihn dann aber mit einem billigen Prosecco anstelle eines guten Champagners aufgießt, der hat schon verloren!
Doch selbst wenn alle Zutaten absolut hochwertig sind und der Bartender seinen Job wirklich versteht, stellt sich immer noch die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, zu den teuersten Brandys, Whiskys, Rums oder dergleichen zu greifen, weil man nämlich irgendwann keinen wirklichen Unterschied mehr schmeckt, ob die Flasche des verwendeten Cognacs nun 150 € oder 3000 € gekostet hat. Und wer traut sich wirklich zu sagen, ob im Prince of Wales, den man ihm kredenzt hat, nun ein Moet & Chandon Grand Vintage 2008 oder ein Dom Pérignon desselben Jahrgangs verwendet wurde?
Als Fazit kann man also sagen: Luxuscocktails machen Sinn, insofern ihr Preis sich durch die Verwendung höherwertiger Zutaten rechtfertigt und solange man dabei am Boden bleibt und nicht dem Wahn verfällt, daß „teurer“ auch automatisch „besser“ heißt….
In diesem Sinne: Ein frohes Zwischenprost (auch ohne Diamanten im Glase)!