Turf Club Cocktail

Der Turf Club Cocktail ist wahrscheinlich der erste Cocktail, der Vermouth mit Gin zusammenführte – eine Allianz, die es dann im Martini Cocktail und seinen Varianten zu legendärer Berühmtheit brachte, schließlich ist der erklärte König der Cocktails, der Martini, nichts anderes als eine Mischung auf (viel) Gin und (wenig) Vermouth!

Benannt wurde dieser frühe Klassiker nach dem Turf Club in New York, einem echten Gentlemen’s Club des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wo sich der Mann von Welt (und nur dieser!) mit Seinesgleichen traf, um dort zu essen, zu rauchen, zu trinken, zu spielen oder zu lesen, ungestört von jeder weiblichen Einmischung. Dieser Club hatte seinen Namen nach den Pferderennen erhalten, es handelte sich also um eine Art von Jockey Club, wo natürlich willkommene Gelegenheit für Pferdewetten bestand – natürlich nur für die „oberen zehntausend“ – ähnlich wie dies heute noch in Ascot zelebriert wird. Den New York Turf Club gibt es übrigens heute noch, wenn auch nicht mehr an seinem ursprünglichen Platz.

Solche Turf Clubs gab und gibt es natürlich auch in anderen großen amerikanischen Städten, auch außerhalb der USA, man denke nur an den Hongkong Jockey Club, den Calcutta Jockey Club oder den Mombasa Club, und stets wurde – und wird! – in ihnen auch kultiviert getrunken. Damit ist so ein Club die natürliche Wiege feiner Drinks und Spirituosen, und so auch der New York Turf Club.

Der New York Turf Club hatte seine damalige Bleibe in dem Eckhaus Madison Avenue und 26th Street, dieses als Jerome Mansion (das Gebäude ist im Titel abgebildet) bekannte Gebäude hatte zuvor einer bekannten Dame der feinen Gesellschaft, Lady Randolph Churchill, gehört, der Mutter von Winston Churchill, die – ebenso wie ihr berühmter Sohn – einem guten Tropfen nicht abgeneigt war.

Wer genau nun den Turf Club Cocktail erfand, läßt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, erste schriftliche Erwähnung findet er im Jahre 1884 in dem Werk „How To Mix Drinks – Bar – Keeper’s Handbook“ von George Winter, der folgendes Rezept angibt:

2 – 3 dash Peruvian Bitters

1/2 Weinglas Old Tom Gin

1/2 Weinglas italienischer Vermouth

Zutaten im zu drei Vierteln mit Crushed Ice gefüllten Rührbecher rühren und in ein „fancy“ Cocktailglas abseihen

Dieses Rezept bildet die Grundlage für spätere Adaptionen, und letztlich auch für den Martini Cocktail, die aufgezählten Zutaten zeigen jedoch etliche Besonderheiten:

1) „Peruvian Bitters“ (Peru-Bitter) ist ein Bitter, der hauptsächlich auf der Grundlage von Chinarinde hergestellt wird, ergänzt durch Schalen von Bitterorangen etc., er ist also tatsächlich ziemlich „bitter“…

2) Old Tom Gin war im 19. Jahrhundert der beliebteste Gin, es handelt sich dabei um einen mit Zucker gesüßten Gin, der nach der Prohibition verschwand und erst in den letzten Jahren wieder ein Nischendasein führt

3) italienischer Vermouth ist natürlich Martini, ein vergleichsweise süßer Vermouth von Martini & Rossi, der 1863 in der Nähe von Turin kreiert wurde

4) ein „fancy“ Cocktailglas läßt viel Interpretation zu, das heute klassische Martiniglas war damals noch nicht erfunden, man verwendete einen flachen Kelch oder Schale.

Im Ergebnis ist dieser Turf Club Cocktail natürlich um Einiges weniger trocken als sein berühmter Nachfahre, der Martini, der Geschmack der Zeit hat sich eben geändert! – Und ebenso hat dieses frühe Rezept etliche Änderungen erfahren, so gibt etwa Harry McElhone in seinem 1922 erschienenen Cocktailbuch „ABC of Mixing Cocktails“ folgendes erweiterte Rezept an:

2 ounces Plymouth Gin

2 ounces trockener Vermouth

2 dash Maraschino

2 dash Orange Bitters

2 dash Absinth

Als Deko taucht hier erstmals eine Olive auf.

Es ist schon erstaunlich, wie sich innerhalb von nur knapp 40 Jahren der Charakter des Turf Club Cocktails so vollständig gewandelt hat: Der süße Old Tom Gin macht dem trockenen Plymouth Gin Platz, und der italienische Vermouth wird durch den wesentlich trockeneren Verwandten aus Frankreich ersetzt. Das Ergebnis ist dann ein trockener Drink, der sich schon sehr dem Martini Cocktail nähert, der dann auch letztlich auf der Grundlage des Turf Club entwickelt wurde.

Auf jeden Fall ging die Entwicklung zu einem immer „männlicheren“ Drink hin, der seinen Reiz vor allem aus der Verbindung von trockenem Gin und ebenso trockenem Vermouth bezog…

In den letzten Jahren erfolgte dann die „Gegenbewegung“: In Zeiten, da männliche Drinks aus der Mode gekommen waren, „verweichlichte“ man die Rezeptur durch Hinzufügen immer neuer Zutaten, wie Zitronensaft und teilweise sogar Eiweiß – was den Drink allerdings dermaßen verändert, daß er mit dem Original nichts mehr zu tun hat und sich schon eher dem Silver Fizz annähert. So wurde aus dem männlichen Turf Club Cocktail ein frauenkompatibles Getränk, das nicht weiß, welchen Charakter es letztlich an den Tag legen will! – Wohl dem, der sich für die klassischen Versionen entscheidet!

In diesem Sinne: Ein frohes Zwischenprost!

 

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