Gin, wie wir ihn heute kennen, ist eine in der Regel vollkommen farblose und dabei sehr aromatische Spirituose mit einem Alkoholgehalt von meist deutlich über 40%, die zu den vielseitigsten Spirituosen im Barbereich gehört: Gin wird in seiner Kompatibilität mit den meisten anderen Zutaten von keiner anderen Basisspirituose übertroffen, man kann mit ihm aber wesentlich kreativer sein, als mit Whisky, Brandy oder Tequila, die jedem Drink ihren ganz eigenen, genretypischen und unverwechselbaren, Charakter aufdrücken. So listet das Standardwerk „Mr. Boston Official Bartender’s Guide“ 362 Cocktails mit Gin als Basis auf, gefolgt von 235 mit Whisky und 188 mit Rum. Abgeschlagen folgen Brandy mit 146 Cocktails, Vodka mit 142 und Tequila mit 78.
Dabei hat der Gin eine lange Geschichte hinter sich, die von einem abrupten Auf und Ab geprägt wurde: Er wurde zwar in Großbritannien kreiert, war aber gewissermaßen ein Findelkind, das britische Soldaten aus dem Holländisch-Spanischen Krieg (1568 bis 1648) mitbrachten, in welchem sie auf Seiten der Holländer für die Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien fochten. Während der langen Jahre ihrer Stationierung in Holland lernten sie den dort sehr beliebten Jenever (Genever) kennen, einen Wacholderschnaps, der zumindest außerhalb der Niederlande heute nur noch ein Nischendasein führt, während der Gin sich überall auf der Welt immer noch steigender Beliebtheit erfreut.
Ein Übriges tat die Krönung Wilhelms III. von Oranien-Nassau zum englischen König im Jahr 1689, der aus seiner Heimat den Genever mitbrachte und flugs den Import des in Großbritannien bislang so beliebten französischen Cognacs und spanischen Brandys mit hohen Importzöllen belegte. Schon ein Jahr später schrieb ein britischer Erlass vor, daß Gin, wie man die neue Spirituose nun nannte, ausschließlich aus Getreide gebrannt werden dürfe!
Die neuen englischen Kolonien in Nordamerika erwiesen sich etwa gleichzeitig als wahre Kornkammern, aus welchen das Mutterland Großbritannien mit billigem Getreide förmlich überschwemmt wurde, was dazu führte, daß hier immer mehr und immer billigerer Gin in Massen produziert wurde – diese Entwicklung ging so weit, daß Gin sogar billiger als Bier verkauft wurde!
Die Auswirkungen dieser Entwicklung kann man sich denken: Gin billigster Machart (allein in London zählte man über 700 Gin-Brennereien!) wurde zum Volksgetränk, und der Suff zur Volkskrankheit! – Dieses Phänomen wurde als „Gin Craze“ bekannt und führte zu einem Einbruch der Wirtschaftsproduktion Großbritanniens, da jedermann lieber soff, als zu arbeiten. Als Folge daraus lag die Sterblichkeitsrate über der Geburtenrate…!
Deswegen sah sich die britische Krone schließlich genötigt, drastische Schritte zur Eindämmung des allgemeinen Volksbesäufnisses zu ergreifen: 1736 wurde der erste so genannte Gin Act erlassen, der den Verkauf einer Gallone Gin mit einer Steuer von 20 Schilling belegte und gleichzeitig von allen Gin-Destillerien eine jährliche Steuer in Höhe von 50 £ eintrieb, eine für die damalige Zeit unerhörte Summe, die sich zum Beispiel in London nur zwei Destillerien leisten konnten (eine von beiden verkauft ihren Gin bis heute als „Fifty Pounds Gin„)!
Da diese neuen Gesetze jedoch sehr oft umgangen wurden und immer mehr Gin illegal gebrannt und verkauft wurde, wurde 1751 der zweite Gin Act erlassen, der die Gin-Produktion endlich in geordnete Bahnen lenkte, indem der Verkauf von qualitativ hochwertigem Gin gefördert wurde, was den Gin schließlich zu einem Getränk für die Bessergestellten machte. Hinzu kamen steigende Getreidepreise, die den Preis für den Grundstoff zur Gin-Herstellung immer teurer machten. 1757 war die Gin Craze endlich beendet, und der Gin trat langsam als gleichberechtigter Partner neben andere Spirituosen, wie Brandy, Cognac und schließlich Whisky, womit er endlich auch eine Option für die gehobenen Kreise der britischen Gesellschaft wurde.
Seinen ersten Höhepunkt erreichte der Gin durch das Getränk, wofür er auch heute noch am häufigsten verwendet wird: den Gin Tonic. Dieser war zunächst nicht als Genussmittel gedacht, sondern vielmehr zu medizinischen Zwecken erfunden worden: Zu einer Zeit, als Großbritannien sich ein weltumspannendes Empire zulegte und Kolonien an allen Ecken und Enden der Welt errichtete, galt es, diese neuen Besitzungen gegen diejenigen zu schützen, die mit dieser Landnahme womöglich nicht einverstanden waren. Eine wichtige Rolle dabei spielte die Britische Ostindien-Kompanie (British East India Company, BEIC), ein eigentlich privater Zusammenschluß von englischen Kaufleuten, der von der britischen Krone immer mehr Privilegien erhielt und schließlich in Indien und anderen Teilen Südostasiens militärisch und politisch de facto die alleinige Macht ausübte, tatkräftig unterstützt von der Armee Ihrer Majestät.
Die britischen Truppen hatten jedoch im heißen und ungesunden Klima Indiens auch mit vielerlei Krankheiten zu kämpfen, allen voran Malaria. Im Laufe des 17. Jahrhunderts hatte man jedoch entdeckt, daß das aus der Rinde eines bestimmten Baumes (Chinarindenbaum, Cinchona) gewonnene Chinin in der Prophylaxe wie in der Behandlung dieser Krankheit wertvolle Hilfe leisten konnte. Deshalb verabreichte man den Truppen wie anderen britischen Landsleuten in diesen Breiten tägliche Gaben von in Wasser gelöstem Chinin, dessen sehr bitteren Geschmack man alsbald durch die Zugabe von Gin zu verbessern wußte – und damit war der Gin Tonic (im englischen Sprachraum: Gin and Tonic, G&T) geboren, heute einer der erfolgreichsten Longdrinks der Welt!
In diesem Sinne: Ein frohes Zwischenprost!
Ein Gedanke zu “Gin – die Geschichte (I)”