Die Prohibition, die von 1920 bis 1933 den Verkauf und Transport von alkoholischen Getränken unter Strafe stellte, eröffnete Schmugglern ein ebenso umfangreiches wie lukratives Geschäftsfeld: Die amerikanische Regierung hatte nämlich bei der Promulgierung der Prohibition vergessen, den Durst ihrer Bürger gleich mitzuverbieten…
Wer es sich leisten konnte, begab sich deshalb, wie schon erwähnt, auf Kreuzfahrten vorzugsweise in die Karibik, um dort ohne Angst vor Strafverfolgung ungehindert den einen oder anderen (meistens mehrere…) Drinks zu nehmen.
Doch nicht jeder hatte diese Möglichkeit, und so kamen findige ehemalige Bartender (dieser Beruf war ja eigentlich mit dem Inkrafttreten der Prohibition ebenfalls Vergangenheit…) auf die Idee, Spirituosen aus dem Ausland in die USA zu bringen, wozu sie sich der Dienste von Schmugglern bedienten.
Die am häufigsten genutzten Schmuggelwege führten aus dem Süden, also von den karibischen Inseln, sowie aus Kanada in die USA, erstere meist auf dem Seeweg, letztere auf dem Landwege – hier beschäftigt uns zunächst der Alkoholschmuggel aus der Karibik.
Auf den meisten karibischen Inseln wird seit etlichen Jahrhunderten Rum gebrannt, die älteste noch existierende Destillerie ist jene von Mount Gay auf Barbados. – Die Karibik war (und ist!) seither ein wahres Paradies für Rumliebhaber, und natürlich wurde auf die steigende (illegale!) Nachfrage aus den Vereinigten Staaten hier mit einer wachsenden Produktion geantwortet.
Eigene Schmuggelschiffe brachten dann den Alkohol als Kontrabande heimlich in die USA, wobei als Zwischenstation zumeist Bimini, eine Inselgruppe zwischen Florida im Westen und den Bahamas im Osten, diente. Da diese Schiffe ständig von der amerikanischen Küstenwache gejagt wurden, die dazu eigens 25 Zerstörer einsetzte, hatten sie vor allem schnell zu sein. Bald nannte man die Schmuggelschiffe und ihre Besatzung „Rum Runner“, was sowohl auf ihre Ladung als auch auf ihre Schnelligkeit und Wendigkeit hinwies.
Der wohl bekannteste Rum Runner war Captain Bill McCoy, der mit seinem Schiff „Tomoka“, einem umgerüsteten Fischkutter, auf Bimini Ladung aufnahm und bis direkt an die Grenze der Drei-Meilen-Zone der amerikanischen Jurisdiktion brachte (später bis zur Zwölf-Meilen-Zone). Dort wurde dann auf kleinere Boote umgeladen, die das letzte Stück Transport bis zur Anlandung an der Küste übernahmen. Andere Wege führten von Mexiko oder den Bahamas nach Galvestone in Texas, durch die Sümpfe von Louisiana und an die Küste von Alabama.
An Bord hatte McCoy ein schweres Maschinengewehr installiert, und unter Deck waren die früheren Behältnisse für die gefangenen Fische zur Aufnahme von Schnaps umgerüstet worden. So gelang es ihm und seinen „Kollegen“ immer wieder, der Küstenwache zu entkommen oder ihr Paroli zu bieten.
Daran war freilich auch die schlechte Ausbildung und Bezahlung der zur Jagd auf die Schmuggler abkommandierten Offiziere und Mannschaften schuld: Während ein Rum Runner pro Jahr mit mehreren Hunderttausend Dollar Gewinn pro Jahr rechnen konnte, erhielt ein Kapitän der Küstenwache ein Jahresgehalt von gerade einmal 6.000 US$ – kein Wunder, daß die Küstenwache nicht allzu erfolgreich war!
Wurde doch einmal ein Rum Runner aufgebracht, ohne versenkt zu werden (auch das kam vor!), dann wurde das Schiff konfisziert, um später auf einer öffentlichen Auktion versteigert zu werden. – Und nicht selten war es der frühere Eigner, der „sein“ Schiff hier ganz offiziell wieder erwarb, Geld genug hatte er ja!
Captain McCoy wurde schließlich doch geschnappt und für neun Monate hinter Gitter gebracht – er hatte sich keiner schweren Verbrechen schuldig gemacht, oder zumindest konnte ihm keines nachgewiesen werden. Aus dem Gefängnis entlassen, investierte er sein Vermögen ganz legal in Florida.
Zur Erinnerung an die Schmuggelschiffe jener Zeit wurde in den 1950er Jahren in der Holiday Isle Tiki Bar in Islamorada auf den Florida Keys der Rum Runner Cocktail kreiert:
Rum Runner:
4 cl brauner Rum
4 cl weißer Rum
2 cl Brombeerlikör
2 cl Bananenlikör
1 cl Grenadine
3 cl Orangensaft
3 cl Ananassaft
Auf Eis shaken, in ein Cocktailglas strainen
2 cl Bacardi 151° floaten!