Der Cocktail nach der Prohibition

Die Aufhebung der Prohibition Ende 1933 wurde von durstigen Seelen überall in den Vereinigten Staaten begeistert begrüßt, und die Anbieterseite überschlug sich mit der Herausgabe von mehr als 20 Mixbüchern, die Rezepte für Drinks propagierten, auf die man lange Jahre hatte verzichten müssen. Gleichzeitig wurden Cocktails wieder ein Thema in den Medien, sei es nun als „Darsteller“ in Filmen oder in Radiosendungen, oder als Thema von Zeitungsberichten und in verschiedenen Songs, die damals populär wurden. – Und natürlich in der Werbung, die eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle für alle Medien bildete.

Damit wurden Cocktails quasi zum Symbol für eine bessere Welt und eine gute Zukunft, die natürlich jeder für sich erhoffte! Und sekundiert wurde diese Entwicklung durch die wirtschaftliche Erholung, welche die USA während der zweiten Amtszeit von Theodore Roosevelt nach der Großen Depression erfahren durfte. Die dazu benötigten Spirituosen hatten sich im Laufe der amerikanischen Geschichte ihren Platz in der Bar erobert, allen voran der aus Spanien importierte Brandy und der französische Cognac, die schon von den ersten Kolonisten auf den amerikanischen Kontinent gebracht worden waren.

Nach der Verwüstung der europäischen Weinanbaugebiete durch die Reblaus wurde der rar werdende Brandy durch den Rum ersetzt, der nicht nur in fast beliebiger Menge erhältlich war, sondern zudem auch noch aus der nahen Karibik stammte, was geringere Kosten und schnelleren Transport ermöglichte.

Doch auch in den Vereinigten Staaten selbst begann man mit der Spirituosenherstellung, wobei zunächst ein „applejack“ genannter Apfelschnaps das Licht der Welt erblickte. – Äpfel waren überall in großer Menge vorhanden und billig, womit die ideale Grundlage für eine aufstrebende Schnapsproduktion gegeben war. Von New Jersey aus eroberte dieser Applejack für einige Jahrzehnte die USA, 1830 waren in diesem Bundesstaat nicht weniger als 430 Applejack-Destillerien bekannt!

Freilich war die Qualität meist eher „gewöhnlich“, um eine vornehme Beschreibung zu wählen – auf keinen Fall konnte (und kann) der Applejack den Vergleich mit einem französischen Calvados bestehen! Deshalb begann die Beliebtheit dieser Spirituose zu schwinden, und während der Produktion verschwand der Applejack beinahe gänzlich, heute gibt es eigentlich nur noch einen einzigen Hersteller, Laird & Company, der noch Applejack herstellt und vertreibt.

Gleichzeitig begann jedoch der Aufstieg des Whiskeys, der heute als DIE amerikanische Spirituose überhaupt gilt. Produziert wurde und wird er aus Weizen, Roggen und Mais in wechselnden Zusammensetzungen (dazu später mehr), also auch aus Rohstoffen, die praktisch überall in den USA verfügbar sind. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich die Destillation von Whiskey zu einer wahren Kunst entwickelt und vor allem zwei verschiedene Typen hervorgebracht: den Bourbon Whiskey und den Rye Whiskey, für deren Herstellung strenge gesetzliche Bestimmungen formuliert wurden.

Der Siegeszug des Whiskeys im Cocktail ging jedoch nicht ganz reibungslos vor sich: Whiskey benötigt Zeit, er muß für mehrere Jahre in Eichenfässern reifen, bevor er zu einem ausgewogenen und wohlschmeckenden Getränk wird! Andererseits waren durch die langen Jahre der Prohibition die Vorräte an altem, lange gelagertem Whiskey praktisch auf Null gesunken, und die jetzt destillierten Whiskeys konnten den sprunghaft steigenden Bedarf in keinster Weise decken, wenn man auf eine gewisse Qualität Wert legen wollte.

Und schon wenige Jahre später, mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, erhielten die wirtschaftliche Erholung und die hohen Zukunftserwartungen in den USA  einen empfindlichen Dämpfer: Rationierungen standen an, destillierter Alkohol verschwand zum größten Teil in der Industrie oder wurde zu medizinischen Zwecken benötigt, die durstigen Seelen mußten sich abermals auf eine Dürreperiode einstellen!

 

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