Das Eichenfass

Die Eiche gehört zu den ältesten Bäumen der Welt, seit 60 Millionen Jahren gibt es beinahe auf allen Kontinenten Eichen – also viel länger, als selbst der älteste Brandy jemals werden könnte! Von den etwa 400 verschiedenen Eichensorten sind die europäische Steineiche (Quercus sessilis), die ebenfalls in Europa heimische Sommereiche (Quercus pedunculator) und die amerikanische Weißeiche (Quercus alba) besonders für die Herstellung von Fässern geeignet. Archäologische Ausgrabungen beweisen, daß bereits seit etwa 4000 Jahren Fässer aus Eichenholz hergestellt wurden, das einerseits sehr hart und stabil, andererseits aber geschmeidig genug ist, um es bis zu einem gewissen Grade biegen zu können.

Der Stamm einer Eiche transportiert Wasser stets nur in der Wachstumsschicht, also dem äußersten Ring des Stammes, der sich direkt unter der Rinde befindet. Die nun nicht mehr benötigten Wasserkanäle (Tracheen) im Kernbereich des Stammes werden deshalb durch so genannte Thyllen verschlossen, was diesen Teil des Holzes wasserdicht macht – eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung von Eichenholz zum Bau von Holzfässern! Die amerikanische Weißeiche bildet besonders viele Thyllen aus, während dies bei der europäischen Eiche nicht in diesem Maße der Fall ist – deswegen müssen europäische Büttner die Eichenbohlen besonders sorgfältig entlang der Maserung spalten (nicht sägen!), um noch offene Tracheen nicht zu verletzen, weil das Fass sonst undicht wäre.

Das Holz der europäischen Eiche enthält sehr viel Tannin (Gerbstoff), was es für die Herstellung von Weinfässern besonders geeignet macht, da dieses Tannin unter dem Einfluss des Alkohols nach und nach ausgelöst wird und dem Wein zu einem körperreichen und ausgewogenen Charakter verhilft. Die amerikanische Weißeiche dagegen enthält weniger Tannin, dafür aber Geschmacksstoffe, die auch in der Vanille, in Pfirsichen und Aprikosen sowie in Kokosnüssen und in Nelkennägeln enthalten sind. – Deshalb wird zum Beispiel Vanillin nicht aus der Vanilleschote, sondern aus Sägemehl der amerikanischen Eiche gewonnen! Aus diesem Grunde sind Eichenfässer aus amerikanischer Eiche für die Reifung von Wein nicht so gut geeignet, verleihen aber Spirituosen, allen voran natürlich dem Bourbon, die charakteristischen olfaktorischen und Geschmacksnoten, die für ihren Charakter so entscheidend sind.

Zur Herstellung eines Fasses verwendet der Büttner (der auch Küfer oder Boettcher genannt wird) meist drei Jahre lang getrocknete Eichenbohlen, die mit verschiedenen Hobeln zur Fassdaube zugerichtet werden. Mit Reifen aus Metall werden die Bohlen dann zuerst an einem Ende zusammengepresst, und dann wird das künftige Fass durch Erhitzung mit einem offenen Feuer im Inneren noch biegsamer gemacht, damit man ihm die genau richtige Rundung geben kann, die ebenfalls durch Fassreifen fixiert wird. Hier muß genau gearbeitet werden, damit das Fass auch richtig dicht ist! – Die letzten Arbeitsschritte sind schließlich das Einsetzen von Boden und Deckel sowie das Bohren des Spundlochs. – Diese Arbeit ist also richtig aufwendig, weshalb ein gutes Eichenfass mit einem Fassungsvermögen von 225 l (Barrique) gut über 500 € kosten kann!

Eichenfässer werden normalerweise vor der Befüllung ausgekohlt, das heißt, man entfacht im Inneren (Boden und Deckel wurden natürlich vorher abgenommen) ein starkes Feuer. Hierdurch werden die im Holz enthaltenen Aromastoffe (wie oben beschrieben) nochmals konzentriert und können so noch besser an den Inhalt abgegeben werden. Für den amerikanischen Bourbon ist dies Vorschrift, hier müssen jeweils nur neue, ausgekohlte Fässer verwendet werden. Auch Cognac und Brandy werden in neuen Eichenfässern gelagert, die hier aber aus europäischer Eiche hergestellt werden.

Da diese Fässer jeweils nur einmal benützt werden können, sind sie nach drei Jahren (Mindestreifedauer für Bourbon) für diesen amerikanischen Whiskey nicht mehr zu gebrauchen. Sie sind aber keineswegs überflüssig, denn die Hersteller von Single Malt Whisky und von Rum warten bereits darauf, diese gebrauchten Fässer zu erwerben! Denn für diese Spirituosen werden in der Regel gebrauchte Bourbonfässer zur Reifung verwendet, die zuvor allerdings durch erneutes Auskohlen wieder „aufgefrischt“ werden. Ganz neue Eichenfässer würden hier nämlich einen zu intensiven Einfluss auf den Inhalt nehmen, gebrauchte und wieder aufgefrischte Eichenfässer sind jedoch genau richtig für die Alterung solcher Spirituosen.

Da das Eichenfass nicht vollkommen luftdicht ist (und auch gar nicht sein soll), verzeichnet man jedes Jahr einen gewissen Schwund: Ein kleiner Teil der enthaltenen Spirituose verdunstet durch die Fassdauben, was man als „Anteil der Engel“ (englisch: angels‘ share, französisch: part des Anges) bezeichnet. Wie hoch dieser Anteil ist, hängt in erster Linie vom Klima ab: Je kühler das Klima, desto geringer die Verdunstung, ein Richtwert liegt bei ungefähr drei Prozent pro Jahr. Deswegen muss bei Spirituosen, die viele Jahre im Fass liegen (besonders Brandy) in gewissen Abständen aus einem anderen, gleichwertigen Fass nachgefüllt werden (sonst wäre ja das Fass nach 35 Jahren mehr oder weniger leer…).

Heute wird besonders beim Single Malt Whisky, in zunehmendem Maße aber auch beim Rum, mit einer Nachreifung in anderen, gebrauchten, Eichenfässern experimentiert: Der Whisky (oder Rum etc.) wird zunächst für etliche Jahre in gebrauchten Bourbonfässern gelagert, um dann einige Monate (bis zu zwei Jahre) vor seiner Flaschenabfüllung in ehemalige Weinfässer umgefüllt zu werden. Besonders beliebt sind ehemalige Sherryfässer, aber auch Portwein- und Süßweinfässer (Sauternes etc.) erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Dadurch erhält die Spirituose zusätzliche Geschmacksnuancen, und auch die Farbe wird positiv beeinflusst, was besonders bei früheren Portweinfässern sehr intensiv ausfallen kann.

In diesem Sinne: Ein frohes Zwischenprost!

 

 

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