Armagnac – die Herstellung

Der aus der Gascogne stammende Theologe, Philosoph und Kardinal Vitalis de Furno lobte in seinem um 1310 entstandenen Werk „Liber selectiorum remediorum pro conservanda sanitate ad totius corporos humani morbos“ die segensreichen Wirkungen der Destillate aus seiner Heimat, von welchen er schrieb „er läßt Eier gar werden, konserviert gekochtes wie rohes Fleisch und entzieht diesem bei gleichzeitigem Vorhandensein von Kräutern seine besten Bestandteile. Nimmt man ihn zu sich, kuriert er die Gicht, Geschwüre und Fisteln, massiert man ihn ein, macht er taub gewordene Gliedmaßen wieder gesund und heilt Wunden, wenn man ihn auf der Haut anwendet. Er macht uns fröhlich, erhält uns jung und verzögert die Senilität„.

Nachdem der Armagnac also zweifelsohne als Allheilmittel angesehen werden kann, stellt sich die Frage, wie dieser denn nun überhaupt hergestellt werden kann?

Grundsätzlich handelt es sich beim Armagnac um einen Branntwein (Brandy), also um destillierten Wein. Und damit sich das Destillat schließlich „Armagnac“ nennen darf, müssen die Grundweine ausschließlich von den etwa 15.000 ha Rebfläche stammen, die schon 1909 im französischen Südwesten, gut 100 km südöstlich von Bordeaux, ausgewiesen wurden. Der Weinanbau geht auch hier, wie in Südfrankreich, bis in römische Zeit zurück!

So einfach wie beim Cognac, der aus der Umgebung der gleichnamigen Stadt stammt, ist es beim Armagnac freilich nicht – es gibt keinen Ort namens „Armagnac“! Vielmehr erhielt dieser Weinbrand seinen Namen von der alten Provinz, die wiederum nach den Grafen von Armagnac benannt wurde, welche 960 mit einer eigenen Grafschaft in der Region belehnt wurden, die später als Gascogne bekannt wurde und den meisten von uns eher aus dem Roman „Die Drei Musketiere“ von Alexandre Dumas ein Begriff ist.

Genau genommen sind es die heutigen Départements Gers, Landes und Lot-et-Garonne, deren für die Herstellung von Armagnac verwendeten Grundweine aus den Anbaugebieten Bas Armagnac, Ténarèze und Haut Armagnac stammen müssen. Überwacht wird dies – ebenso wie der gesamte Produktionsprozess – durch das “Bureau National Interprofessionel de l’Armagnac” (BNIA).

Das Bas Armagnac ganz im Westen um sein Zentrum Eauze trägt nicht nur mit 57% zur Gesamtproduktion an Armagnac bei, von hier kommen anerkanntermaßen auch die besten Destillate, und letztendlich werden die Fässer, in welchen der Armagnac bis zu 20 Jahre reift, aus den Eichen dieser Gegend hergestellt, deren dunkle Blätter dem Gebiet auch den Beinamen „Armagnac Noir“ gegeben haben.

Weitere 40% des Ertrags stammen aus dem in der Mitte der Anbaugebiete gelegenen Tenarèze, dessen Zentrum, die Stadt Condom, traditionell als „Hauptstadt“ und wirtschaftlicher Mittelpunkt des Armagnac gilt. Der geringe Rest von nur etwa 3% stammt schließlich aus dem Haut Armagnac im Osten und Süden, um die Stadt Auch. Zwar ist dies das flächenmäßig größte Anbaugebiet, der geringe Anteil an der Produktion verweist jedoch darauf, daß der Weinbau und mit ihm die Produktion von Armagnac hier nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt.

Überhaupt hat der Armagnac für die ganze Gegend nicht annähernd die wirtschaftliche Bedeutung, die der Cognac in der nach ihm benannten Region spielt: Auf nur 2105 ha Anbaufläche wachsen die Grundweine, aus welchen pro Jahr etwa sechs Millionen Flaschen Armagnac destilliert werden! Im Gegensatz dazu liefern im Cognac nicht weniger als 73000 ha Rebflächen die Grundweine für eine Jahresproduktion von 163 Millionen Flaschen Cognac…

Aus demselben Grund ist die Armagnac-Herstellung, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch eher ein Nebenerwerb, die meisten Winzer bauen auch andere Feldfrüchte an, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Deshalb wird man im Armagnac große Namen wie „Hennessy„, „Remy Martin“ oder „Otard“ auch vergeblich suchen.

Insgesamt elf Rebsorten sind zur Produktion der Grundweine für den Armagnac zugelassen, mit gut 80% stellt jedoch der Ugni Blanc den weitaus größten Anteil (wie beim Cognac auch), die restlichen 20% stellen hauptsächlich Blanquette und Colombard, während die anderen acht Rebsorten praktisch keine Rolle spielen. Grundsätzlich handelt es sich um Rebsorten, die sehr trockene Weißweine ergeben, welche eher weniger für den direkten Verbrauch als Tischwein, aber hervorragend zur Destillation geeignet sind. Grundsätzlich sollen die Trauben bei der Ernte vollreif sein, um ein gehaltvolles und aromatisches Destillat zu garantieren.

Der größte Unterschied zum Cognac liegt in der Destillation: Wird der „große Bruder“ zweifach destilliert, erfolgt im Armagnac grundsätzlich nur ein einziger Brand, was auch ein Grund dafür ist, daß der Armagnac generell etwas intensiver, um nicht zu sagen „rauher“ im Geschmack ist als der Cognac. Entsprechend der bereits erwähnten Kleinteiligkeit der Armagnac-Produktion sind es oft mobile Säulenbrennanlagen, die von Winzer zu Winzer fahren, um direkt vor Ort die Grundweine zu Armagnac zu destillieren.

Das Ergebnis dieses einmaligen Brandes ist ein Destillat mit einem Alkoholgehalt von in der Regel nur 52% bis 60%, weshalb Armagnac nicht, wie Cognac oder auch Whisky, vor der Abfüllung mit destilliertem Wasser „auf Trinkstärke herabgesetzt“ werden muß – die Flaschenabfüllung erfolgt mit einer Mindeststärke von 40%!

Ob nun mobil vor Ort oder in größeren ortsfesten Brennanlagen bekannterer Erzeuger gebrannt, die Destillate reifen in Eichenfässern, bevor sie als „Armagnac“ bezeichnet werden dürfen. Zur Herstellung dieser Fässer werden Steineichen aus dem Bas Armagnac verwendet, deren im Vergleich zu anderen Eichenfässern dunkleres Holz dem Destillat eine dunklere Farbe sowie einen höheren Tanningehalt mitteilt, weshalb Armagnacs meist ohne Zugabe von Zuckercouleur zur „farblichen Anpassung“ abgefüllt werden. Wegen des intensiven Einflusses neuer Fässer auf das Destillat, der zu einem zu herben Ergebnis führen würde, wird dieses nach etlichen Jahren in ältere Fässer umgefüllt, die ein ausgeglicheneres und runderes Ergebnis erwarten lassen.

Ähnlich wie beim Cognac unterscheidet man auch beim Armagnac verschiedene Altersstufen, die effektiv auch als Qualitätsstufen angesehen werden können (je älter, desto exklusiver und natürlich teurer…):

VS (Very Special) oder *** (Trois Etoiles): Wenigstens zwei Jahre Fasslagerung

VSOP (Very Superior Old Pale): Vier Jahre Mindestreifung in Eichenfässern

XO (Extra Old) oder Napoléon: Sechs Jahre oder mehr Fasslagerung

Hors d’Age: Zehn Jahre Mindestreifung in Eichenfässern

XO Premium: Über 20 Jahre Fassreifung

 

Ist schließlich nach Meinung des Kellermeisters das Optimum an Fassreife erreicht, wird der Armagnac nach der nun folgenden „Assemblage“, also dem Verschnitt verschiedener Fässer und Jahrgänge (wenn es sich nicht um Jahrgangsdestillate handelt) auf Flaschen gezogen und in den Verkauf gebracht.

Als Besonderheit werden sehr gute Jahrgänge zur weiteren Harmonisierung für oftmals viele Jahrzehnte in große Glasballons mit einem Inhalt von bis zu 50 Litern umgefüllt. Ein solcher Glasballon heißt „Dame-Jeanne“ und wird, seinem wertvollen Inhalt entsprechend, in einem extra verschlossenen Teil des Kellers, dem so genannten „Paradies“ aufbewahrt. Abgefüllt wird dann nach Bedarf und unter strenger Aufsicht durch das BNIA, sind solche Flaschen doch vor allem als Geburtstagsgeschenk sehr beliebt und werden zu teils enormen Preisen gehandelt. So findet man immer wieder Jahrgangs-Armagnacs mit einem Alter von weit über 50, bisweilen sogar von bis zu 200 Jahren!

Im nächsten Teil zum Thema Armagnac geht es dann um die bekanntesten Produzenten…!

In diesem Sinne: Ein frohes Zwischenprost!

 

 

 

 

 

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